Eine Parabel – Der Brief



Ich schreibe auf Blätter und übergebe sie dem Wind.
Ich folgte meinem Schatten, und kam in tiefere Regionen
und erkannte einen Teil unseres Seins.

Ich bin ein kleiner Affe, der in der Krone seines Baumes lebt.
Auf den Ästen und Zweigen bin ich zu Hause; versteckt hinter den Blättern.
Auf den anderen Bäumen leben gleiche meiner Art.
Untereinander verständigen wir uns nur rufend.
Wir sind Einzelgänger. Jeder lebt auf seinem Baum.
Den Baum zu verlassen macht uns Angst.

Die Krone unseres Baumes gibt uns Nahrung und Geborgenheit.
Dafür pflegen wir den Baum.
Der Baum lebt – doch ohne Bewegung.
Wir sind die Bewegung in seiner Krone.
Unser Baum und wir sind eins, denn nur seine Früchte sind unsere Nahrung.
Der Stamm des Baumes ist unser Körper, seine Krone ist das Gehirn.
Das Leben in der Krone – das sind wir.

Ich war auf den untersten Ästen und sah, dass unser Wald ein Baum ist.
Sein Wurzelwerk erstreckt sich bis hinter den Horizont.
Aus einer Wurzel stammen alle Bäume.
Aus einer Familie meine ganze Art.

Eines Tages wird mein Baum absterben.
Doch der Wald ist groß und wächst auf absehbare Zeit immer wieder nach.
Ist mein Baum tot, werde ich über den Waldboden einen neuen Baum suchen.
Für meine Umgebung bin ich fort. Die Rufe der Nachbarn werde ich nicht beantworten können.
Doch ich bin nicht tot, wenn Ihr meine Rufe nicht mehr hört!
In weiter Ferne werde ich den neuen Baum finden und seine Krone beleben.
Ich werde von neuem versuchen alle Äste zu erkunden und zu lernen.

Euer Monkey homo sapiens sicherkennsis



© 2001 by Rudolf Schleyer